01.01.2014

Was macht der Skispringer im Sonntagsanzug?


Vor einem Jahr berichteten wir über Pekka Hautamäki, den ungewöhnlichen Skispringer im Sonntagsanzug. Mit der Fortsetzungsgeschichte wünschen wir den Leserinnen und Lesern dieses Blogs ein neues Jahr mit vielen schönen Augenblicken, Gedanken und Geschichten.

Was macht der Skispringer im Sonntagsanzug?


Von Godi Huber
Die Zeit von Leermond bis Vollmond blieb Pekka Hautamäki in der Wüste. Der Skispringer im Sonntagsanzug, mit weisser Mütze und rotem Schal, der am Neujahrskispringen davongeflogen war und Wochen später in der Sahara notlanden musste, hütete am Tag die Tiere und lauschte in der Nacht den Hirten in den Zelten. Als der Mond voll war, wurde Hautamäki, der dringenden geschäftlichen Verpflichtungen nachkommen sollte, mit dem Geländewagen aus der Wüste gefahren. Damit das Fahrzeug nicht im Sand stecken blieb, gab der Fahrer Vollgas. Der Wagen flog über die Dünen, die Räder drehten sich im Sand, der Fahrer fluchte, Hautamäki wurde an die Decke des Fahrzeugs geschleudert, bis ihm schwindlig und einige Zeit später schwarz vor den Augen wurde.

Als Pekka Hautamäki nach langer Zeit die Augen endlich wieder öffnete, schloss er sie sofort wieder. Das grelle Licht der Sonne schmerzte. Als Hautamäki die Augen ein zweites Mal vorsichtig öffnete, blickte er in eine Fernsehkamera. Die Sonne war in Wirklichkeit ein riesiger Scheinwerfer. Der Raum glitzerte golden, es roch nach Rosen, an den Wänden hingen grosse Bilder mit schönen Landschaften, filigran bestickte Teppiche bedeckten den Boden, in geflochtenen Körben türmten sich Orangen, Mandarinen, Ananas, Bananen, Datteln, Nüsse, süsser Wein ruhte in Kristallgläsern. Die Luft war warm, ein mächtiger Ventilator drehte sich an der weissen Decke, hinter den luftigen Vorhängen schimmerte der Himmel dunkelblau, durch die geöffneten Fenster drang das Rauschen des Meeres.

In der Mitte des Raumes stand ein mit seidenen Stoffen bezogenes grosses Bett. Nur wenig bekleidete junge Frauen gingen durch den Raum, gaben Pekka Hautamäki zu Essen und zu Trinken, zogen ihm die weisse Mütze vom Kopf, freuten sich wie kleine Kinder über den roten Schal, versuchten ihn aus dem Sonntagsanzug zu schälen, begannen ihn zu küssen, lockten ihn auf die seidenen Stoffe und die weichen Kissen des Himmelbettes. Der Skiflieger begann sich wie in Tausend und einer Nacht zu fühlen, verteilte grosszügig Rosen an die Frauen, gewöhnte sich an die Kamera, die jede seiner Bewegungen aufzeichnete, sprach hie und da einen Satz, auch mit der Frau, welche im Hintergrund die Kamera führte.

Das Fernsehpublikum war begeistert. Anders als die früheren Hauptdarsteller dieses TV-Formats war Pekka Hautamäki kein Maulheld und kein geistesgestörter Schönling. Da war einer, der die Frauen wie Menschen und nicht wie Vieh behandelte. Da war ein Mann, der wusste, dass sich hinter der Fassade des Make ups ein Hirn und den zur Schau getragenen üppigen Busen ein Herz befand.

Schnitt − Das Finale der Fernsehsendung, die "BACHELOR" heisst, ist im Gang. Das Publikum hält den Atem an. Michelle, 23 Jahre jung, schön wie eine Meerjungfrau und schlau wie eine Füchsin, scheint Pekka Hautamäki erobert zu haben. Doch Vivi, 30, wie der Skispringer aus dem Norden stammend, hält mit stahlblauen Augen dagegen.

Schnitt − Der Moment der Entscheidung ist da. Die Spielregeln verlangen, dass Der BACHELOR jetzt die letzte Rose der Frau seines Herzens überreicht. Feierlich gekleidet im Sonntagsanzug, rotem Schal und weisser Mütze schreitet Pekka Hautamäki mit der Rose zu Michelle, dankt mit Küsschen links und rechts für die entgegen gebrachte Zuneigung, geht mit der Rose in der Hand weiter zu Vivi, bedankt sich auch hier für die schönen Stunden, behält aber die Rose entgegen den Spielregeln in der Hand und verschwindet aus dem Bild.

Schnitt − Ein nur noch unscharfes und wackliges Bild zeigt jetzt, wie Pekka Hautamäki auf die Fernsehkamera zugeht und wie der Skispringer im Sonntagsanzug mit einem schüchternen Lächeln seine schneeweisse Rose der Frau hinter der Kamera schenkt.


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