28.12.2013

Goldfasane

Von Katle
Das Anwesen war von einem Lebhag umgeben. Die Äste und Zweige der gestutzten Hagebuchen griffen in­einander und bildeten eine undurchsichtige Hecke. Unser Schulweg führte durch eine Art Hohlweg daran vorbei. 
Wenn wir Zeit hatten – und wir hatten oft Zeit oder waren uns nicht bewusst, dass wir eigentlich kei­ne hätten – traten wir ganz nahe ans Gebüsch und bogen die Zweige auseinander. 

Dann konnten wir die Vö­gel sehen. Goldfasane, Pfauen, Perl- und Zwerghühner, Wachteln und Enten. Vor allem die Goldfasane mit ihrem Gefieder wie der Vogel Greif. Wir standen und staunten, wenn wir eines der Tiere zu Gesicht bekamen mit seinen Federn wie Gold und Kupfer. Mir jedenfalls ging es so.

Der geheimnisvolle Park gehörte zwei Frauen. Vielleicht waren sie Schwestern, vielleicht verband sie etwas anderes als das Blut. Nur selten erspähten wir die eine oder andere von ihnen durch das Geäst und die Blät­ter, meist gingen sie dann mit Kesseln in den Händen zwischen den Gehegen umher. Die beiden Frauen er­schienen uns alt und fremd, sie sprachen nicht unsere Sprache, sondern – wie wir aus ihren seltenen Wort­wechseln mit vorübergehenden Erwachsenen belauschten – vielleicht einen deutschen Dialekt. Sie lebten dort hinter der Hecke, die wenigen Türen, die in die Anlage führten, waren schmal wie verborgene Tore. Da konnte kein Auto hindurch. Doch gab es damals ja auch noch nicht sehr viele Autos.

Sie waren vielleicht Hexen. Jedenfalls waren sie nicht freundlich zu uns. Und wir umgekehrt nicht zu ihnen. 

Nachdem sie gestorben oder weggezogen waren, erfuhren wir, dass sie ihr gesamtes Anwesen der katholi­schen Kirchgemeinde vermacht hatten. Diese klotzte ein Gotteshaus hin, grösser, als das alte Kirchlein unter den hohen Bäumen nahe der Bahngeleise gewesen war. 

Parkplätze, Rasen. Ein gedrungener kantiger Betonbau.

 Aus der Zauber.

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