15.07.2012

Im Sommergarten

Von Godi Huber

Anna Lutz hatte zwei Gläser mit Campari, Eis und Orangensaft gefüllt. Die festlich gekleidete Frau reichte ihrem Mann dessen Lieblingsdrink: "Happy Birthday, auf unser neues Leben!" Er lächelte zurück, entspannt wie schon lange nicht mehr.

  Gottfried Lutz, gross gewachsen, graues Haar, war nach 35 Jahren in der gleichen Firma endlich frei. Drei hübsche Gartenzwerge hatten ihm seine Kollegen zur Pensionierung geschenkt. Auf dass die Gartenarbeit noch leichter von der Hand gehe. Karl Märki, Nachbar von Gottfried Lutz, klein, bullig, mit Glatze, zerkleinerte im Garten nebenan mit der Motorsäge einen Stapel Holz. Eine Einladung zum Apéro durfte er nicht erwarten. Seit einem hässlichen Streit um Gartenzäune und Wegrecht hatten er und Lutz sich nichts mehr zu sagen. Das war vor zehn Jahren gewesen. Jetzt brachte das Kreischen der Motorsäge die Campari-Gläser zum Zittern. Gottfried Lutz blieb ruhig, wollte sich diesen Abend nicht durch seinen ehemals besten Freund, der zum Feind geworden war, verderben lassen.
  Erste Gewitterwolken türmten sich über den Bergen. Das Anfeuern des Gartengrills gelang Gottfried Lutz nicht auf Anhieb. Der auffrischende Wind blies dicke Rauchschwaden in Märkis Garten. Die Motorsäge verstummte. Anna Lutz, eine ausgezeichnete Köchin, servierte kurz darauf die gegrillten Forellen, dazu einen gemischten Salat mit griechischem Käse darauf. Da brachte Nachbar Märki seinen Rasenmäher zum Heulen. Gottfried Lutz schluckte auch dies, mitsamt dem letzten Schluck Shiraz Cabernet Sauvignon, Jahrgang 2009.
  Als der Rasenmäher schwieg, stellte Gottfried Lutz die Musik lauter. Er liebte Elvis und Springsteen, am liebsten „openair“. "Leiser bitte", rief Anna aus der Küche. "An meinem Geburtstag bestimme ich die Lautstärke", schrie Gottfried zurück. Nun trank er Bier, danach Whisky, dazu rauchte er Zigarre, die erste seit fünf Jahren. Die Nacht begann sich über den Sommergarten zu senken. Fledermäuse flatterten. Aus der Ferne war Donnergrollen zu vernehmen.
  Dann setzte Regen ein. Die Gartenzwerge, der Gartengrill und der Gartensitzplatz von Gottfried Lutz wurden nass. Doch das Wasser fiel nicht vom Himmel, es wurde vom Rasensprenger aus Märkis Garten herüber geschleudert. Gottfried Lutz schloss einen Moment die Augen, atmete tief durch. Dann marschierte er los, kletterte über den Zaun in Märkis Garten, schloss den Wasserhahn, schleuderte den Rasensprenger ins Gebüsch und kehrte wortlos in seinen Garten zurück.
  Am Himmel zuckten erste Blitze. Er habe jetzt Lust auf die Geburtstagstorte, rief Gottfried Lutz in die Küche. Anna Lutz servierte die Vacherin Glace, liebevoll hergerichtet mit Kerzen und Herzen. Da riss, aus dem Hinterhalt, ein kräftiger Wasserstrahl die Torte in Stücke. Gottfried Lutz explodierte. "Nein, bitte nicht!", schrie Anna Lutz.
  Lutz rannte los, stolperte in der Dunkelheit über die drei Gartenzwerge, griff nach der Spitzhacke, sprang über den Zaun, stürzte sich, laut schreiend, auf Nachbar Märki, rang diesen zu Boden, hob die Hacke und schlug, wie von Sinnen, mehrmals auf den wehrlosen Mann nieder. Blitze leuchteten, Donner krachte, Wasser stürzte vom Himmel. Anna Lutz schluchzte noch immer, als sie den Hörer auflegte.

1 Kommentar:

  1. Hoi Godi, ich habe dein Blog doch noch gefunden...
    ich stöbere bei Gelegenheit ein wenig durch die Buchstaben :) Liebe Grüsse, Stefanie

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