03.05.2016

Hommage an Mona Lisa oder Wie der Freund einer Freundin eines guten Bekannten das Glück suchte und schliesslich auch fand

Von Godi Huber
Es war einmal der Freund einer Freundin eines guten Bekannten, Adrian von Gutenberg genannt. Dieser hatte sich schon früh auf die Suche nach dem Glück gemacht und dabei eine lange Reise voller Abenteuer zurückgelegt.


Bereits im Vorschulalter musste der kleine Adrian auf Lanzarote einen tollwütig gewordenen Drachen mit seinem Kinderschwert töten, was ihm im dritten Anlauf denn auch vorzüglich gelang.

Die Pubertät liess gerade die ersten flaumigen Barthaare auf seinen Wangen spriessen, da befreite der tapfere junge Mann im Berner Seeland Rapunzel mit ihren langen goldenen Haaren aus den Treibhäusern geldgieriger Gemüsebauern.

Doch die Freude war von kurzer Dauer. Auf der Überfahrt nach Amerika krachte der Ozeandampfer im Nebel in einen Eisberg. Das Holz splitterte, das Schiff legte sich sofort auf die Seite und unser Held war froh um den Schwimmunterricht bei der strengen Frau Sonderegger, die er nie sonderlich gemocht hatte.

Im Wilden Westen Amerikas kämpfte Adrian von Gutenberg tapfer für das Gute und gegen Banditen und andere hinterhältige Bleichgesichter. Das Leben war hart und darüber hinaus ungerecht.

Jahre später hatte es von Gutenberg, genauer Adrian von Gutenberg, ganz nach oben geschafft; auf die Leinwand, wo er im Dienste seiner Majestät die bösesten Bösewichte rund um den Erdball jagte. Das Leben war jetzt leicht, schnell und glamourös geworden. Doch das Glück musste anderswo sein.

Es war der erste schöne Tag im Frühling. Adrian von Gutenberg schritt, müde von der langen Reise, durch Feld und Wald. Erwachende Blüten flüsterten sich süsse Geschichten zu. Bäume kleideten sich in helles Grün, während Vögel auf den Ästen fröhlich Lieder zwitscherten.

In diesem Augenblick sah Adrian von Gutenberg am Wegrand eine Blume von einzigartiger Schönheit, umgeben von berauschendem Duft und summenden Bienen.

Daneben eine junge Frau auf einem Stuhl, im dunklen Haar ein feiner Schleier, um den Mund ein Lächeln; geheimnisvoll und unvergänglich wie Mona Lisa sass sie da.

In der Hand der Frau glitzerte ein silberner Teller, auf dem Teller lag ein Stück Torte mit reichlich dunkler Schokolade und noch mehr Schlagrahm.

Geblendet von den herrlichen Bildern, liess sich Adrian von Gutenberg ins Gras fallen. Da flog eine Fee heran, flötete mit heller Stimme, dass Herr von Gutenberg das Glück gleich dreifach gefunden habe. "Sie können wählen, mit wem Sie den Moment verbringen wollen. Einen Wunsch haben Sie frei."

Gut, dachte sich von Gutenberg, ich wähle die geheimnisvolle Frau. Doch was ist, wenn ihr Geheimnis böse ist, und was nützt mir heute das Unvergängliche?

Gut, dachte sich von Gutenberg, dann pflücke ich die Blume von nie dagewesener Schönheit. Doch sie wird schon Morgen den Kopf hängen lassen.

Gut, dachte sich von Gutenberg, dann esse ich die Torte. Er biss hinein und genoss das Glück bei vollem Munde.

                                                     *

Anmerkung des Autors, im Zug unterwegs an eine Dichterlesung in B.:
Aber, aber Herr von Gutenberg, gestatten Sie mir, meinen Unmut loszuwerden: Sie sind ein Idiot! Da sitzt Mona Lisa vor Ihnen und Sie entscheiden sich gegen sie. Schlimmer, sie wählen die Torte. Eine Schwarzwäldertorte noch dazu, die Sie für 4 Franken und 90 Rappen in jedem Migros-Restaurant kaufen können, Gratis-Kaffee inklusive. Diese Torte am Schluss eines höchst literarischen Textes ist einfach nur peinlich.

A. von Gutenberg erwidert:
Erstens sind Torten kulturgeschichtlich mehrschichtig relevant, Herr Autor. Zweitens geht es in unserem Text um mehr als Torten. Es geht darum, dass sich das Personal in Märchen, Kurzgeschichten, Krimis und Romanen immer den AutorInnen fügen muss. Dagegen protestiere ich entschieden, wenns sein muss, werfe ich Ihnen die Torte mitten ins Gesicht, Herr Autor.

Der Autor, jetzt ziemlich genervt:
Bald sind wir in B. Wir müssen zu einem Schluss kommen, Herr von Gutenberg. Einem guten Schluss.

A. von Gutenberg:
Mir ist klar, dass sich der Herr Autor einen Schluss mit Mona Lisa wünscht. Am liebsten wäre ihm eine Affäre oder eine Amour fou. Das steigert die Nachfrage, macht den Autor berühmt und vielleicht gewinnt er sogar einen Literaturpreis. Aber da mache ich nicht mehr mit. Eine Amour fou endet immer unglücklich, das weiss ich aus Erfahrung. Im besten Fall wird daraus eine Wochenend-Beziehung. Ich wäre der Leidtragende und nicht Sie, Herr Autor.

Autor, sehr ungeduldig:
Eine Wochenend-Beziehung. Mit Mona Lisa. Das ist doch - vorsichtig ausgedrückt - unfassbar schön! Der Zug fährt gleich in B. ein. Ich sage es zum letzten Mal Herr von Gutenberg: Wir brauchen für meinen guten literarischen Text einen guten Schluss.

A. von Gutenberg:
Eine Wochend-Beziehung? Mit Mona Lisa? Jeden Freitag Abend im engen, vollen und verfurzten TGV nach Paris fahren? Und am Wochenende Stunden im Louvre anstehen? Für ein paar Minuten Mona Lisa? Herr Autor, Sie sind verrückt!

Autor, sehr genervt und sehr ungeduldig:
Wir fahren in B. ein. Früher gab es in den Zügen Fenster zum Runterziehen. So konnten wir Autoren schlechte Geschichten zum Fenster hinaus werfen. Helfen Sie mir, Herr von Gutenberg. Wir müssen das Fenster zertrümmern. Für Notfälle hängt da irgendwo... schnell holen Sie den roten Hammer! 

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