03.11.2013

Von Fliegen und dem Dalai Lama

Von Stefanie Portmann
Du setzt dich hin. Müde von der Arbeit. Müde von der Bindehautentzündung in deinem Auge. Dein Rücken schmerzt auch. Gerade hast du die ganze Wohnung auf Vordermann gebracht. Nun gut, zumindest so aufgeräumt, dass sie wieder betretbar ist. Auch für Fremde und andere Gäste. Du startest den Computer, neugierig, was er heute ausspuckt. Oder was deine Finger aus deinem Kopf in die Tasten hämmern werden. Du liest einen alten Text, um Inspiration zu finden. Naja, zumindest den Anfang des Textes.


Da setzt sich eine Fliege auf deinen Kopf. Du schüttelst dir die Haare aus. Sie kommt wieder. Du schüttelst die Haare nochmals aus, und ein drittes und viertes Mal. Dann ein kurzer Moment der Ruhe. Und schon sitzt das kleine Ungeheuer auf deiner rechten Hand. Nichts mit Tippen und Dichten. Du verscheuchst die Fliege. “Zisch ab!”

Doch sie setzt sich einfach auf die andere Hand und beginnt, als wäre sie die Ironie in Person, ihre Ärmchen aneinander zu reiben, als würde sie sich die Hände waschen. “Du putzt dir deine Ärmchen, als würdest du sie in Unschuld waschen?” ist dein nächster Gedanke, während dem du deine beiden Hände schüttelst. Und der übernächste: “Komm nur noch einmal in meine Nähe, du freches Biest. Dir mach ich den Garaus! Ich werde dich vierteilen und dann teeren und federn und den Geiern zum Frass vorwerfen!”

Da fällt dir der Dalai Lama ein, der weise Mann, der dich mittels einem Hörbuch eindringlich lehrte, niemandem und wirklich niemandem, auch keinem Tier, einen Schaden zuzufügen, auch nicht in Gedanken. “Ob eine Fliege als Tier bezeichnet werden muss?” fragst du dich, wohlwissend, dass Fliegen Insekten sind und somit als lebendige Wesen gelten, die man respektieren sollte.

Wieder sitzt sie auf deinem Kopf. Du scheuchst sie weg, kratzt dir in den Haaren. “Was für ein fürchterliches Viech!” denkst du jedes Mal wieder, wenn sie deine Hände oder deinen Kopf anfliegt. “Würde sie doch zumindest auf meinem Rücken landen, oder sich auf meinem Ärmel wohlfühlen!” Nein, keine Chance, alles Wegwedeln und nach ihr Schlagen ist zwecklos. 


Und wie sie endlich, endlich weg ist, es kommt dir vor als wären Stunden vergangen, hast du nur noch dieses fiese Fliegenbiest und sein mühsames Gesurre im Kopf, aber keine Geschichte mehr zum Schreiben.

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