26.11.2011

Science Fiction

Von Godi Huber
Alain spricht mit Kühlschrank Coolman über das Geburtstagsessen vom kommenden Samstag. Coolman empfiehlt als Vorspeise Rucola mit gebratenem Ziegenkäse, Himbeeren und karamellisierten Walnüssen, serviert aus dem Tiefkühlfach. Als Hauptspeise werden in der Molekularküche zubereitete Pangasius auf vakuumierten Kartoffeln mit Safranschaum präsentiert.
   Zum Dessert gibt es Rosenblätter mit Kaviar. Kühlschrank Coolman übernimmt dank neuer Software Einkauf und Aufbereitung des Essens selbstständig. Eingeladen sind 2455 Freunde von Alains Social-Media-Plattform. Drei Freunde stehen an diesem Samstag tatsächlich vor der Tür: Die 44-jährige Biologiestudentin Anna, die dringend einen Pangasius sucht, mit dem sie sich zu Studienzwecken klonen kann. Der 122-jährige Rentner Theobald, der vor dem Umzug in die Demenz-WG ein letztes Mal Eile mit Weile spielen möchte. Die Dritte in der Runde ist nice@xyz vom Halleischen Kometen, die sich auf der Suche nach den Sieben Zwergen in der Tür geirrt hat.
   „Ich will die grünen Figuren“, sagt Theobald. „Ich kenne dieses Game nicht“, reklamiert nice@xyz. Anna erzählt, dass sie in der Diplomarbeit vor dem grossen Durchbruch steht. Fortpflanzung durch Klonen sei einfach, effizient und garantiert frei von lästigen Nebenwirkungen. „Dann kommt Sex bald nur noch in den Geschichtsbüchern vor?“, fragt Theobald mit grossen Augen. „Bei uns ist das schon lange so“, sagt nice@xyz. Er werde nun die Vorspeise servieren lassen, unterbricht Alain die angeregten Gespräche.
   „Dann gibt es auf dem Halleischen Kometen keine gebrochenen Herzen mehr“, bleibt Theobald am Thema dran. „Keine gebrochenen Herzen“, erzählt nice@xyz zwischen Hauptgang und Dessert, „keinen Stress, keine Emotionen, keine Gefühle.“ „Dann muss es dort kalt sein“, sagt Theobald. nice@xyz nickt: „sehr kalt, minus 270 Grad.“
   „Schnitt“, ruft der Regisseur. Er rollt seine 15 stahlblauen Augen ganz wild, fährt die Antennen auf dem Kopf in die Höhe und ruft mit blecherner Stimme: „Toll gemacht, dieses Video zeigt, wie unsere primitiven Vorfahren vor tausend Lichtjahren gelebt haben.“

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